100 Meilen – Alpen schreibt man in Zukunft mit X! AlpenX100!

Seefeld 5. August 2016, 21:55 Uhr. Ich stehe zusammen mit ca. 180 anderen im Nachhinein total verrückten und durchgeknallten, aber nicht weniger geilen Typen und auch ein paar Typinnen an der Startlinie des AlpenX100. Der in der Szene bereits gut bekannte Veranstalter Plan B, welcher Läufe wie den ZUT oder den Transalpine Run organisiert, hatte zur ersten nonstop Alpenüberquerung unter seiner Leitung eingeladen. Viele waren diesem Ruf gefolgt und so stand neben der breiten Masse auch ein ausgelesenes Spitzenfeld am Start.

Den ganzen Tag über hatte es in Strömen geregnet und oberhalb von 2700m sogar geschneit. Die Witterungsverhältnisse waren nicht gerade das, was man sich beim Start auf 100 Meilen so wünscht. Noch eine Minute bis zum Start. Stirnlampe an, vielen Dank hier noch an LEDLENSER für die SEO3 so kurzfristig als Ersatz. Unglaublich wie viel Licht so eine kleine Lampe spenden kann. Rund herum klatschen sich die Läufer gegenseitig ab und wünschen sich einen guten Lauf, hätte man hier im Voraus schon gewusst, dass nur jeder 3. das Ziel erreichen wird, hätte wohl jeder nur ungläubig geschaut.

Vor dem Start
Vor dem Start

Der schon bekannte „Highway to hell“ schickt uns schließlich auf die Strecke. Hinter dem Führungsfahrzeug drehen wir noch eine Ehrenrunde durch das verregnete und verlassene Seefeld, bevor es vorbei am Wildsee hinaus in die Nacht geht. Auf einem breiten Schotterweg immer parallel zum Niederbach lassen es doch alle noch recht gut laufen. Ich bin etwas überrascht über das Tempo und wundere mich, ob ich wirklich bei einem 100 Meilen Lauf angekommen bin. Etwas enttäuscht bin ich vom Weg an dieser Stelle, hatte ich mir doch ein paar schöne Trails ins Tal vorgestellt. Eine Enttäuschung die ich im Nachhinein aber nicht einmal ansatzweise mehr nachvollziehen kann.

Start! Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Start! Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer

Unten angekommen geht es ein Stück weit am Inn entlang und schon ist die erste Verpflegung in Kematen da. Kurz die Vorräte wieder auffüllen, ein freudiges Pläuschchen mit Jochen dem Betreuer des „exito Gipfelstürmers“ Stefan und schon geht es weiter durch die Nacht. Es folgt nun er erste Anstieg auf den Pafnitzberg. Zuerst geht es noch auf einem Forstweg steil nach oben, bevor der Weg plötzlich beinahe senkrecht im Wald sehr schmal nach oben geht. Es ist matschig und rutschig. Plötzlich kommt von links eine „Horde“ Stirnlampen auf mich zu. Die Spitzengruppe hatte sich verlaufen und ich bin plötzlich mitten drin. Ich gehe das Tempo ein Stück weit mit, will mich nicht sofort abhängen lassen. Sehr spaßig aber auch eine sehr kurzfristige Angelegenheit. Sehr schnell bin ich wieder allein im Dunkeln.

Auf dem Schartensteig in Richtung der zweiten Verpflegung schaffe ich es auch bereits ein paar Mal Bodenkontakt zu haben. Zum Glück aber jedes Mal harmlos. An der 2. Verpflegung angekommen geht es mir prächtig. Ich liege top im Rennen, die Stimmung ist super und auch Jochen und Baart sind wieder da. Es tut gut immer mal wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen. Über meine Platzierung so weit vorne mache ich mir keine Sorgen und gehe davon aus sowieso einzubrechen und überholt zu werden. Das gleiche Spiel. Ein warmer Tee, ein bisschen Suppe mit Nudeleinlage, die Flaschen wieder auffüllen und ab geht es wieder in die Nacht. Die Verpflegungsstellen sind wieder in gewohnter Manier super ausgestattet.

Mahlzeit. Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Mahlzeit. Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer

Von der Skistation Axamer Lixum geht es nun über einen wurzligen und komplett gefluteten Trail in Richtung Medraz hinab. 1000 Höhemeter machen wir hier wieder kaputt. Eine ziemliche Tortur für die Oberschenkel, aber dafür hält die Konzentration einen nachts um drei Uhr wach. Immer wieder haben wir einen genialen Talblick nach Fulpmes und bewegen uns oberhalb der Wolken bzw. Nebelgrenze.

Es dämmert im Tal
Es dämmert im Tal

An der 3. Verpflegung ist vieles schon Routine geworden. Es gibt wieder Tee und auch Suppe. Diesmal Tomatensuppe. Schmeckt gut, liefert Energie und wärmt von innen. Es ist frisch geworden, hat aber zum Glück aufgehört zu regnen. Von 900m Höhe bringt uns nun der folgende Anstieg in schier endlosen Serpentinen auf 2100m Höhe. Es beginnt zu Dämmern und wir erleben einen wunderschönen Tagesanbruch. Ich packe kurz vor der Blaserhütte die Stirnlampe weg und bin froh in den hellen Tag starten zu können. Mit dem Anbruch des Morgens kommt aber auch die Kälte zurück und ich muss an der Blaserhütte erstmal alles anziehen was der Rucksack hergibt.  Ich liege hier auf einem unwirklichen 7. Platz, irgendwie unvorstellbar.

Guten Morgen Blaserhütte
Guten Morgen Blaserhütte Foto von Harald Wisthaler (wisthaler.com)

So schnell man die Höhenmeter bis zur Blaserhütte gewonnen hat, macht man sie auch direkt wieder zunichte. Ein elend langer Downhill zieht sich bis nach Steinach am Brenner hinab. Immerhin bietet er traumhafte Ausblicke in das Tal und die Brennerautobahn auf der ein riesen Stau ist. Der wahre „Highway to hell“ an diesem Tag. In Steinach wartete das erste Dropbag auf uns. Unter großen Applaus treffen wir hier nach 60 Kilometern ein. Ich habe meinen 7. Platz gehalten und bemühe mich einem trockenen T-Shirt aus meinem Dropbag. Die Schuhe behalte ich an. Es handelt sich hierbei übrigens um Scott Kinablue, welche ich im Voraus noch nie mehr als einmalige 12 Kilometer getragen habe. Sie machen sich gut und ich beschließe so weiterzumachen. Zusammen mit Carsten mache ich mich auf den Weg zur Nösslachjochhütte. Ein langer aber auf einer Forststraße einfach zu gehender Aufstieg. Wir können sehr schnell Höhenmeter machen ohne zu große Anstrengung. Wir quatschen unterwegs ein bisschen über Ultras und nächste Ziele. Oben angekommen wartet auch schon die nächste Verpflegung auf uns, bis hier sind die Abstände wirklich perfekt gewählt und ich habe nie das Gefühl trocken zu laufen.

Nach der Verpflegung stapft Carsten dann aber mit ordentlichem Tempo davon und ich lasse ihn, wohwissend um seine Stärke ziehen, kein Sinn da jetzt mit zu gehen. Über das Nößlachjoch in Richtung Eggerjoch bleiben wir eine Weile auf der Höhe und können wieder traumhafte Ausblicke genießen. Leider muss ich ab hier auf Bilder verzichten, da der Akku der GoPro der nächtlichen Kälte nicht gewachsen war. Nach kurzer Zeit auf tollen Trails auf dem Grat müssen wir leider wieder Abschied von der Höhe nehmen und stürzen uns ins nächste Tal. Wir laufen ja schließlich quer und nicht längs über die Alpen. Es geht wieder 700 Höhenmeter hinab bis zum Parkplatz Obernbergtal.  Die 7. Verpflegung auf unserem Weg und ziemlich genau die 80 Kilometer Marke.

Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Gefühlt immer nur am Essen. Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Gefühlt immer nur am Essen. Foto von Jochen Hauser, exito Gipfelstürmer
Grenze
Grenze

Die Suppe bringt wieder neue Kraft und ich mache mich rasch wieder auf den nächsten Aufstieg. Eben laufen gibt es hier einfach nicht. Für uns heißt es nun „Tschüss Österreich“ und „Hallo Italien“. Vorbei am Obernberger See überholen uns dann nach und nach auf die ersten 100er. Diese sind um 8 Uhr in Steinach gestartet und jagen uns quasi ab jetzt. Immer wieder frage ich nach ob es sich um einen 100km Läufer handelt um mein Tempo abschätzen zu können. Wir laufen hier in ein wunderbares Tal hinein. Leider gibt es aus solchen schönen Hochtälern meistens nur einen Ausgang und der heißt oben raus. Genau am höchsten Punkt empfängt uns das Grenzschild und gleichzeitig auch der nächste erbarmungslose Downhill nach Gossensaß. 1000 Höhenmeter müssen wir wieder hinab. So langsam lugt die Sonne immer mal wieder aus den Wolken hervor und ich bin recht froh nicht in der prallen Hitze laufen zu müssen.

Halbzeit!
Halbzeit!
Willkommen in Gossensaß
Willkommen in Gossensaß

Angekommen in Gossensaß wartet meine Mutter als nächste Unterstützung das erste Mal. Sie hat auch den Weg über den Brenner per Auto geschafft und muntert mich während der Verpflegung auf. Ich bin inzwischen immer noch auf einem Top10 Platz. Das Feld der 100 Meilen Läufer hat sich weit auseinander gezogen und einige sind bereits ausgestiegen. Ich will aber schnell weiter. Aus Gossensaß raus schütte ich mir erst einmal den ganzen Dreck aus den Schuhen. Die Socken sind durch die ständigen Bachquerungen komplett durch und jedes Mal spült es kleine feine Steine in die Schuhe. Durch einen dichten Wald ackern wir uns nun bis zum Rosskopf hinauf.

Aufstieg Rosskopf
Aufstieg Rosskopf

Wirklich schön welche „Secret Trails“ Vivalpin hier rausgesucht hat. Oftmals nicht breiter wie 30 Zentimeter und kommt man mitten aus dem Gebüsch im Trubel am Rosskopf an. Hier hoch führt auch eine Seilbahn und neben einem Biotop gelegen ist die neunte Verpflegungsstation dieses Tages. Hier zieht es heftig und auch der Kocher für den Suppentopf geht ständig aus. Ich will nicht lange bleiben und bedanke mich bei den unermüdlichen Helfern, bevor es dann nach Gasteig ins nächste Tal hinab geht. Im Downhill überschreite ich die 100 Kilometer Marke. 15:30 Stunden. Eine klasse Zeit, aber auch ordentlich schnell. Weiter war ich noch nie gelaufen und ich traue dem Braten nicht so ganz.

Rosskopf
Rosskopf

Als ich Gasteig erreiche habe ich das erste Mal den klaren Gedanken „Das schaffe ich heute, das wird eine Sensation“. Das Höhenprofil habe ich im Kopf und ich weiß jetzt kommt der richtig harte Part, aber auch nur noch zwei Mal hoch und zwei Mal runter, dass es aber ab hier das härteste Rennen meiner Laufkarriere wird ahne ich noch nicht. Zuerst geht es recht gemütlich über einige Kilometer eine Teerstraße nach oben. Ich freue mich über schnell gehbare Kilometer und Höhenmeter. Unterwegs nehme ich an einem kühlen Bergbach ein paar Schlucke Wasser und spare meine Vorräte. Nach Gospeneid, einer Anordnung von Bauernhöfen ist es dann aber vorbei mit der Gemütlichkeit.

Zuerst geht es an einem Bachlauf eine abartig steile und grobe Schotterpiste nach oben. Ich frage mich während ich mich immer von Fixpunkt zu Fixpunkt kämpfe, wer denn hier eine Straße hin baut und jemals gedenke diese hinaufzufahren. Schließlich endet die Straße mitten in einer Kuhherde und geht in komplett wegloses Gelände über. Durch Büsche von Alpenrosen und Wasserlöchern müssen wir uns selbst den Weg bahnen. Hin und wieder ein orangenes Fähnchen zeigt uns ob wir richtig sind. Ich beschließe auf die „Zwischenstationen“ zu verzichten und peile direkt das oberste Fähnchen an und stapfe geradeaus durch. Hin und wieder knicke ich weg und falle sanft in eine der Alpenrosen. Endlich aus diesem Gestrüpp rausgekämpft wartet der Anstieg zum Penser Joch auf uns. Von weitem kann man den Gasthof an der Passstraße schon sehen, doch er will im starken kalten Wind hier oben einfach nicht näher kommen. Endlich dort angekommen muss man sich eine schützende Ecke suchen und die Suppe ist leider innerhalb von Sekunden kalt. Von hier aus haben wir weniger als einen Marathon noch vor uns und das letzte Dropbag im Zugriff. Ich ziehe zitternd zwei Schichten langärmlige Shirts an, eine ¾ Hose und wechsle noch die Batterien der Stirnlampe. Die zweite Nacht sollte mich dann demnächst einholen.

Kurz vor dem Penser Joch
Kurz vor dem Penser Joch
Kalt, Windig, Müde
Kalt, Windig, Müde
Penser Joch
Penser Joch

Auf dem Plan standen 20 Kilometer, mit einer Verpflegung an der Marburger Hütte, so ziemlich in der Mitte. Frierend stapfte ich los in die Ungewissheit. Jeder Gedanke an zu wenig Trails am Anfang war inzwischen verflogen.  Über den Astenberg wurde das Gelände immer hochalpiner. Es dämmerte so langsam und ich hatte seit dem Penser Joch keine Menschenseele mehr gesehen. Ich wusste die Marburger Hütte müsste irgendwo nach 9 Kilometern kommen. Dann stieg der Weg plötzlich steil an und über eine erste Seilversicherte Stelle erreichte ich die Hörtlahner Scharte. Hier packte ich nun im stockdunkeln die Stirnlampe aus. Es folgte nochmal eine Kletterstelle und ich kam mir so am Fixseil hängend mitten in der Dunklen Nacht vollkommen allein doch etwas verloren vor. Was mache ich hier? Muss das sein? Gleichzeitig aber auch der Gedanke „Überleg mal was du hier geiles machst?“.  Weit unten dann aber plötzlich mitten in dieser dunklen Einöde ein paar Lichter. Die ersten Seit Stunden. Die Flaggerschartenhütte (Marburger Hütte). Schnell hinab. Unten angekommen wurde man von der extrem freundlichen Hüttenwirtin Elisabeth direkt in die warme Stube eingeladen. Sie hatte es sich hier mit Familie und Helfern gemütlich gemacht und außerplanmäßig auf eigene Organisation eine Verpflegungsstelle auf die Beine gestellt. Eine tolle Truppe tapferer Helden mitten in dieser Nacht. Ich nehme eine absolut leckere Nudelsuppe und fülle meine Flaschen mit leckerem Früchtetee auf und muss leider wieder raus in die Nacht. Zu leicht wäre ich sonst hier ins Schwitzen gekommen und dann wäre es draußen noch kälter geworden. Nun geht es weiter zum höchsten Punkt der Strecke. Immer weiter hinauf bis zu einer Scharte zwischen Tellerjoch und Jacobspitz. Die Strecke ist bis hier hin gut markiert und ich hab keine Probleme den Weg zu finden.

Kletterstelle vor Marburger Hütte. Foto von Kelvin Trautmann
Kletterstelle vor Marburger Hütte. Foto von Kelvin Trautmann

An der Scharte angekommen übersehe ich jedoch eine Markierung und folge weiter den Rot-Weißen Markierungen. Immer weiter höher geht es, und immer ausgesetzter wird der Grat auf welchem ich gelandet bin. Als ich nach 20 Minuten auf meine Uhr schaue und beinahe 2700m Höhe drauf habe, weiß ich etwas kann nicht stimmen. Ich mache kehrt und versuche heil den Grat wieder runter zu kommen. Zum Glück kann ich im Dunkeln nicht sehen wo ich da lang geklettert bin.  Auf dem GPS-Track sieht das Ganze aber doch recht abenteuerlich aus. Wieder unten an der Scharte angekommen treffe ich dann endlich auch den richtigen Weg. Die Markierung war ganze 1,5m weiter vorne. Ein bisschen verärgert und frustriert gehe ich weiter. Ein Blick nach oben lässt aber jedes Gefühl von Ärger sofort verfliegen. Ich mache die Stirnlampe für 2 Minuten aus und habe den genialsten Sternenhimmel vor mir den ich jemals gesehen habe. Total klar und keine störende Lichtquelle, tausende von Sternen funkeln am Himmel. Allein dieser Moment lässt die ganzen Strapazen vergessen.

Verlaufen auf dem Grat
Verlaufen auf dem Grat

Gefühlt führt der Weg die nächsten Stunden durch ein einziges Geröllfeld. Die Zeit ist schon lange keine Maßeinheit mehr für mich und ich kann nicht mal mehr abschätzen ob ich 24, 26 oder 30 Stunden unterwegs bin. Ich bin gefangen in der Dunkelheit. Da läuft plötzlich eine Gruppe 100er Läufer auf mich auf und ich kann ein Stück weit mit gehen. Es tut gut nach 5 schier endlosen Stunden wieder jemand zu treffen. Jedoch ist Veronika vorne etwas zu schnell, sodass ich sie ziehen lassen muss. Im Geröllfeld reiße ich mir die kompletten Fußsohlen auf und laufe ab hier unter starken Schmerzen. Am Rennen ist im nun folgenden Downhill ins Schladerer Tal nicht mehr zu denken. Im stockdunklen und nassen Tal geht es 600 Meter nach unten. Schier endlos lang ist der Weg zur Verpflegungsstation. Endlich unten angekommen treffe ich Veronika wieder. Sie bietet mir an sie zu begleiten, doch ich muss leider ablehnen. Ich bin zu langsam inzwischen. Der letzte Berg der 100 Meilen steht an. Die Uhr knackt kurz vor der Johannes Scharte die 10.000 Höhenmeter Marke.

Da passiert es allerdings wieder. In einer Sekunde der Unachtsamkeit verliere ich die orangene Markierung und folge einer roten Markierung ins Tal. Zu spät merke ich im Dunkeln meinen Fehler und muss wieder direkt durch das schroffe Gelände nach oben. Das kostet wieder Zeit und beschwert unnötigerweise nochmal Höhenmeter.

Die "8" wäre der richtige Weg gewesen
Die „8“ wäre der richtige Weg gewesen

Kurz vor der Radlseehütte erreiche ich dann endlich wieder den richtigen Weg. Der Tag ist angebrochen und beschert mir den nächsten Höhepunkt des Laufes. Die Täler liegen noch schwarz unter uns aber oben brennen die Dolomiten schon in einem saftigen Gold.  Ein traumhafter Anblick und ein weiterer Moment, der sich in mein Gedächtnis einbrennen wird.

Alpenglühen am Morgen. Foto von Harald Wisthaler (wisthaler.com)
Alpenglühen am Morgen. Foto von Harald Wisthaler (wisthaler.com)
Foto von Kelvin Trautman
Im Morgengrauen. Foto von Kelvin Trautman

Von hier an geht es nur noch berab. 1800 Höhenmeter bis Brixen. Der Downhill ist schwer, die offenen Füße brennen wie verrückt und der Schmerz lässt keinen Meter rennen mehr zu. Ich hangle mich mit Hilfe der Stöcke nach unten und zähle auf der Uhr die Höhenmeter rückwärts. Dann endlich ein Schild. „5 Kilometer“. Die letzte Verpflegung taucht auf, ich lasse sie rechts liegen und gehe direkt weiter. Ich will nur noch ankommen. 4… 3… 2… dann spuckt uns der Trail direkt am Ortsrand von Brixen aus. Über die Brennerautobahn. 1 Kilometer to go. Ich ziehe den Bengalo aus dem Rucksack. 160 Kilometer habe ich diesen genau für diesen Moment im Rucksack mitgetragen. Als ich um die Ecke biege und bereits meinen Namen vom Sprecher höre, zünde ich ihn und genieße die letzten 50 Meter bis über die Ziellinie. Ich habe es geschafft. Fassen kann ich es noch nicht. Ich bekomme eine Medaille überreicht und Glückwunsche von allen Seiten, ich bin jedoch irgendwie im Tunnel. Es ist vorbei. Ich muss nicht mehr weiter Laufen. Carsten wartet bereits im Ziel. Letztendlich bin ich 12. Gesamt geworden. Am Ende erreichen in den vorgegebenen 47 Stunden nur 59 Männer und 2 Frauen das Ziel.

Im Ziel
Im Ziel

Fazit:
Meine ersten 100 Meilen sind somit Geschichte, mein Kopf braucht noch etwas Zeit um das Erlebte wirklich verarbeiten zu können, deshalb fühle ich mich im Moment einfach noch nicht in der Lage ein wirkliches Fazit zu verfassen. Ich muss das Ganze erst noch auf mich wirken lassen eine Zeit lang. Die Strecke war auf jeden Fall der Hammer und die letzten 40 Kilometer (13 Stunden) wirklich „menschenverachtend“. Die hohe Ausfallquote ist neben der Strecke auch dem Wetter vor allem mit Regen in der ersten Nacht und starken Wind in der zweiten Nacht zuzuschreiben. Jeder der diese Strecke angegangen ist, ist automatisch erstmal ein Held, egal ob Finisher oder nicht. Brauche ich diese Distanz nochmal? Ich denke mal es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.
Jetzt gönne ich mir aber erstmal eine Wohlverdiente Pause und gebe meinem Kopf und Körper Zeit sich zu erholen. Am kommenden Sonntag geht es für 3 Wochen nach Kanada, vor allem in die Rocky Mountains. Gelaufen wird hier nur nach Spaß und Laune. Glaube ich zumindest. Was der Herbst dann noch bringt werden wir dann einmal sehen.

The day after
The day after

Ergebnisüberblick:
Sieger wird Iker Karrera in 25:29.33,9 Stunden vor dem Südtiroler Alexander Rabensteiner (26:45.54,9 Stunden), Rang drei an den Österreicher Sebastian Fuchs (27:08.17,2 Stunden). Schnellste Frau über die 100 Meilen war die Meranerin Annemarie Gross in 31:38.24,3 Stunden, Ines Melzer erreichte als zweite Frau nach 46:28:04,9 das Ziel in Brixen.

Zu den Ergebnissen

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5 Kommentare

  1. Hallo Lars,
    Gratulation zur Leistung! Toller Bericht! Ich habe mitgelitten… Zwei Mal verlaufen ist ja schon echt übel. War die Markierung nicht so prickelnd oder du zu müde?

    Viele Grüße
    Sebastian

    1. Hallo Sebastian,

      danke dir. Die Markierung war völlig ok, nur in der Dunkelheit gerade in der zweiten Nacht übersieht man halt leicht mal was oder folgt im Tran einfach den Rot-Weißen Markierungen weiter.

      LG Lars

  2. Schöööön behämmert !!! Glückwunsch abermals, Großer… Ziehe den Hut – auch wenn ich langatmige Texte von VP zu VP wohl nie mögen werde… 😉

    Streckentechnisch wohl Sphären, die ich uU. NIE erreichen werde… We will see… 😉

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