Montag 29. September 2014, ich verlasse soeben den Adidas Store in Berlin. Wie letztes Jahr habe ich auch dieses Jahr meine Berlin Marathon Zielzeit in das im Startbeutel enthaltene Armband einlasern lassen. Doch irgendwas ist dieses Jahr anders. Klar letzten Jahr stand mit 3:10:44 auch schon eine beeindruckende Zeit darauf, aber dieses Jahr prangt darauf eine fast unwirkliche Zeit. Doch nochmal zurück auf Anfang. Rückblick…
Noch vor einer Woche stand ich vollkommen enttäuscht im Ziel des Greifensee Halbmarathon. Ich hatte geplant meine HM Bestzeit auf unter 1:30 Stunden zu schrauben. Ich hatte mich selbst überschätzt, verbraten und zerstört. Völlig fertig rettete ich mich mit einer 1:33:17 ins Ziel. Eine total misslungene Generalprobe vor dem Berlin Marathon. Ursprünglich hatte ich hier mal anvisiert die magische 3 Stunden Marke zu knacken. Doch aufgrund von etwas wenig Geschwindigkeittraining diesen Plan schon lange wieder verworfen. Eigentlich!
8.44 Uhr 28.September 2014.
Ich stehe im Block D des Berlin Marathon, 50m vor mir schwebt der 3 Stunden Ballon des Pacemakers. Bis zur Startlinie sind es maximal 80m. Die Favoriten werden vorgestellt. Die Spannung steigt. Dann der Countdown. Punkt 8.45 Uhr hallt der erste Knall über die Straße des 17. Juni. Neben mir steigen gelbe Luftballons in die Luft. Wir rücken vor bis zur Startlinie. 8.46 Uhr ich überquere die Startlinie und starte meine Uhr. Was ist eigentlich mein „Raceplan“? Darüber hatte ich mir viele Gedanken gemacht die letzen Tage/Stunden. Letztendlich hatte ich mich darauf visiert die 3 Stunden Marke anzugehen. Einfach mal austesten wie lange der Motor rund läuft bevor der Einbruch kommt. Nur nicht wieder zu schnell los, sondern vielleicht mal die „Negativ Splittaktik“ probieren, welche auch die Weltrekordler der letzten Jahre angewendet haben und ich in Dean Karnazes Buch zuletzt gelesen hatte.
Der Plan war also 4:15min/km zu laufen. Durch den vorderen Startplatz hatte ich am Anfang keinerlei Probleme in den Massen der Läufer, da das Tempo von Beginn an sehr hoch war. Der erste KM endete mit 4:15min/km also genau im Plan.
Die nächsten Kilometer werde ich mit + (langsamer) und – (schneller) der abweichenden Sekunden von 4:15min/km beschreiben.
Die Anstrengung war relativ gering und ich fühlte mich gut. +1 sollte am Ende stehen. In meinen Gedanken rechnete ich damit bis ca. km 15-20 das Tempo halten zu können. Doch in so einer großen Masse an Läufern merkt man seine Geschwindigkeit nicht immer. Also gleich mal -5 Sekunden auf dem 3. Kilometer. Das erste Mal hatte ich dieses Jahr meine eigenen Gels eingepackt. Ich bevorzuge hier die Dextro Energy, wegen ihrer flüssigen Konsistenz und dem praktischen Schraubverschluss. Plan war jede 8-9km jeweils vor den Verpflegungen eins zu nehmen. Mit -4/+3 und +-0 ging es zurück zum Reichstag. hier folgte der kurze Anstieg bevor man Richtung Friedrichspalast etwas Gas geben konnte. -5 und -1 Sekunden. Und dann bei KM9 das erste Gel und einen Becher Wasser dazu. Hier schon großes Gedränge an den Wasserstellen, welche so früh im Rennen nur einseitig doch etwas hektisch werden. Deshalb dann auch km 10, das erste mal deutlich +3 Sekunden. Die Zwischenzeit bei 10km blieb bei 42:34 stehen. Insgesamt 5 Sekunden Vorspung vor der 3 Stunden Marke. Den 3 Stunden Ballon immer ca. 60m vor mir in Sichtweite.
Ich beschloss genau so weiter zulaufen. Der Puls hatte sich auch bei konstanten 165 Schlägen/Minute eingependelt, 85% Leistung. Bis Kilometer 15 durch Kreuzberg war es kein Problem im Rhythmus zu bleiben. -6 / +3 / -3 / -9 / – 6. ich war selbst erstaunt so gleichmäßig unterwegs zu sein. Vor lauter „Zeitenrechnen“ flogen die Kilometer und Berlin nur so an mir vorbei. 15km Durchgangszeit 1:03:44 Stunden. 26 Sekunden rausgelaufen. Ich fokussierte mein Ziel auf eine 1:30:00 auf die Halbmarathon Distanz um die Schande vom Greifensee zu egalisieren. Anschließend dachte ich kommt der Einbruch so oder so. Durch Neuköln ging es Richtung Schöneberg, wo die HM Marke auf uns Läufer wartete. -6 / -13!/ – 4 / -8 / -3 / -7 war mein Halbmarathon Schlusssprint. Macht eine Halbmarathonzeit auf der ersten Hälfte von 1:29:23 Stunden. Also deutlich unter 1:30:00 und 36 Sekunden plus auf die 3 Stunden Marke. Eigentlich war ich mit dem Tag jetzt schon zufrieden. Der Puls war inzwischen etwas angestiegen auf ca. 171 Schläge/Minute. Also 90% maximal Puls.
Mit einem guten Gefühl in den Beinen, aber der Vorsicht im Hinterkopf ging ich die zweite Marathonhälfte an. In Gedanken immer bereit das Tempo rauszunehmen sollte es merklich schwerer werden. Erstmal sollte es aber so weitergehen. -3 / -2 / – 3 lauteten die nächsten Kilometer. Dann eine Situation die das komplette Aus hätte bedeuten können. Bei der Versorgungsstation bei KM 25 stellte mir ein unvorsichtiger Läufer das Bein. Das man hin und wieder einen anderen Läufer etwas touchiert kommt bei diesen Massen und Geschwindigkeiten hin und wieder vor, doch diesmal war es fatal. Ich machte einen Bauchplatscher, Wertungsnote 7,9 und schlitterte auf dem nassen Asphalt noch 3-4 Meter weiter. Ich hatte den Sturz kaum realisiert war ich wieder aufgesprungen und mit einem Becher Wasser wieder voll im laufen. -7 auf diesen Kilometer. Dann erstmal im Laufen die Schäden analysieren. Füße: ok, Beine: ok, Knie: ok, Hände: ok, Arme: Blut am rechten Ellenbogen – halb so schlimm, Kopf: ok, Ambit: ok, Puls: nicht ok. Ein Blick auf meine Brust verriet mir den Grund. Da wo der Pulsgurt sein sollte klaffte ein riesen Loch im Tshirt. Der war wohl durch den Sturz weggeflogen. Zurücklaufen wollte ich aber in diesen Massen nicht. Das hätte wohl mehrere Stürze verursacht. Also mit Adrenalin im Körper weiter.
Durch Steglitz ging es mit +2 / -5 / +2 / -2 / -12. Das bedeutete eine 30er Zwischenzeit von 02:06:57 Stunden. Die zweiten 15 Kilometer waren also schon mal schneller wie die ersten insgesamt an diesem Punkt +33 Sekunden. Ich war hier schon völlig überrascht dieses Tempo bis hier hin gegangen zu sein und noch nicht völlig fertig rausnehmen zu müssen. So langsam entwickelte sich ein Traum in meinem Kopf. Ich zog am 3 Stunden Ballon vorbei um nicht nur ein Ziel auf der Uhr gegen das ich Laufe zu haben, sondern eine reale Person. -3 / – 6 und dann noch 10 Kilometer. Zeit hierfür fast 44 Minuten. Das sollte machbar sein dachte ich mir. Aber noch traute ich dem Braten noch nicht ganz. Beflügelt von der Vorstellung setzte ich ähnlich wie Kimetto zu einem kleinen Zwischensprint an. -10 / – 8 / – 22!! brachten mich zu Punkt 35. Noch 7 Kilometer, 2:28:02 Stunden. Also 31:58 Zeit.
Doch so langsam wurden die Beine schwerer. Kurz das letzte Gel in mich gedrückt, in der Hoffnung, dass dieses noch zündet, auch wenn nur psychisch. Mit +1 / -9 / -4 / ging es zum Potsdamer Platz. Der schrecklichste Teil der wunderschönen Berlin Marathon Strecke. Man sieht das Brandenburger Tor schon und wird doch wieder weggeleitet. +4 / – 5 die Abzweigung von der Leipzigerstrasse Richtung Französischer Dom will einfach nicht kommen. Dann bei km 40 die letzte Zeitmatte. 2:49:30. Noch 2,2 Kilometer in 10:30 Minuten. Sollte sich ausgehen. Voller Elan bog ich bei km 41 auf die
Unter den Linden ein und animierte die Leute am Rand zu klatschen. Durch Erdinger Alkoholfrei-Tor war das Brandenburger Tor zum Greifen nah. Weitere 400 Meter dahinter wartete das ersehnte Ziel auf mich. Plötzlich ein zucken in der linken Wade. Blitzartig kündigte sich ein Krampf an. Genau im Torbogen machte der Muskel zu. Ich fluchte „nicht jetzt!!“. Ich biss auf die Zähne und hoffte ihn mit einer Tempoverschärfung weg zubekommen. Vorbei am Kilometer 42 Schild, die -2 waren mir schon völlig wurscht. Mir war klar ich hatte es geschafft!!! Sub 3 Stunden. Ich breitete die Arme aus und ließ mich in den Zielkanal treiben. Auf der Ziellinie fiel die ganze Last von mir ab und ich hätte jedem um mich herum in die Arme springen können. Brutto 3:00:00 Stunden, Netto 2:58:54!!! nicht einmal im Traum hätte ich daran gedacht es wirklich laufen zu können!
Platz 1069 von 40.000 und Platz 139 in der Altersklasse von 1800.
Ich genoss meinen Triumph mit einer Massage und ein paar kühlen Erdinger auf der Wiese in der Sonne vor dem Reichstag. Nach und nach trudelten die befreundeten Läufer ein und wir genossen unsere persönlichen Erfolge. Alle waren durchgekommen!
Diesen Erfolg verdauten wir am Abend bei einem mehr als ausreichenden, aber völlig verdienten Essen im Brauhaus Mitte. So ganz realisiert habe ich meine Sub 3 Stunden Zeit aber bis jetzt immer noch nicht…
Die Wunde am Arm wird heilen und auch der Brustgurt und das TShirt können ersetzt werden, aber der Stolz auf diesen Lauf wird mich für immer prägen! DANKE BERLIN!!!
P.S. Danke auch an alle die mich in den letzen Wochen immer wieder mit der 3 Stunden Zeit angefixxt hatten. Vor allem Marcel 🙂 Hat einen doch noch geputscht auf den letzten Metern.
Die offiziellen Marathonfotos (Zu Wucherpreisen!)
Hier noch der Move zum Lauf und das offizielle Ergebnis!
Nun heißt es ein bisschen regenerieren und dann steht in 2 Wochen der Schwarzwald Marathon auf dem Plan….
Weiter immer weiter!!
wow, Wahnsinns Leistung:-)
sub 3…gigantisch!
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Leistung und gute Regeneration!
„anfixxen“ – IMMER WIEDER GERN !! 😀
Ein Traum… Pfeif auf den Pulsiert und das Shirt. Eine Sub 3:00 ist unbezahlbar.
Sport frei!
Thomas
Glückwunsch, ich hab mal deine Bestzeiten angeschaut, die Zeit kam wohl recht überraschend. War wohl ein guter Tag und alles hat gepasst. Ich hab am Sonntag meine Halbmarathonbestzeit um 13 Sekunden auf 1:31:31 runtergeschraubt und wollte auch sub 1:30. Dafür war es aber dann doch zu warm. Wollte dann den Frankfurt Marathon auf 3:10 laufen und war nach der „verkorksten“ Premiere erstmal skeptisch. Die 8x 10kmRT-Einheit heute war aber super und dein Bericht lässt mich optimistisch stimmen. Dem 3:00 Ballon laufe ich trotzdem nicht hinterher.
Danke dir 🙂 Ja ich wahr wirklich selbst überrascht nach der verkorksten Vorstellung der Vorwoche gleich zweimal unter die 1:30 zu laufen. Manchmal kann man sich doch selbst überraschen…