Im Kreis herum zur neuen Bestzeit

Die letzten Wochen waren voll mit der Planung des 1. Hallenmarathon unter der Leitung des Lauftreff Pfohren in der arena geisingen. Überall wurden Ausschreibungen verteilt. Die örtlichen Laufgruppen informiert und viel Überredungsarbeit geleistet.

Am vergangenen Wochenende war es nun endlich soweit. Eigentlich Valentinstag, der Tag der Verliebten. Jedoch hatten sich einige von daheim weggeschlichen und wagten ein sowohl physisch wie auch psychisches Experiment.  Bisher war wohl noch nie jemand 105,5 bzw. 211 Runden auf dieser 200m Bahn in der arena geisingen gelaufen. Für alle also Neuland. Wie wird die Belastung für den Körper sein? Wie für den Kopf? Wird es ein reiner Kampf gegen sich selbst?

Die Bahn ist ein 200m langes Oval mit überhöhten Kurven. Der Veranstalter sperrte in den Kurven jeweils 30 cm nach innen die Bahn ab, so dass ein laufen ohne Schräge möglich war. Musste man aber einen Läufer überholen bzw. überrunden, blieb den Läufern meist nur der Umweg über die Steilkurve.

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Die Laufbahn

Ich hatte an diesem Morgen nur sehr wenig geschlafen und war schon den ganzen Vormittag mit Aufbau und Mithilfe bei der Organisation beschäftigt. Jetzt noch einen Marathon zu laufen wollte mein Kopf irgendwie nicht so ganz wahr haben. Ich zwang mit 1 Stunde vor dem Rennen einfach mal 20 Minuten hin zu sitzen und das Finale des Halbmarathons anzuschauen. Einfach noch etwas die Beine entlasten und Kraft sammeln. Dann ging es ans umziehen. In der Kabine die Gespräche mit den fertigen Halbmarathonlern. „Das Ganze doppelt? Ach du scheiße…“. Der Moderator hatte im Vorfeld Informationen über die Läufer gesammelt. Auf die Frage was ich Laufen kann und will hatte ich ihm geantwortet „Eine 3:15 würde ich sofort unterschreiben und nehmen.“ Ich hatte mir eigentlich nicht viel vorgenommen. Ich wollte Spaß haben und die Kilometer mitnehmen als Trainingsgrundlage in das Jahr 2016.

Punkt 14 Uhr standen dann 17 tapfere Starter an der Startlinie. Neben Bernd Vöhringer mit einer Vorleistung von 2:44 aus dem vergangenen Herbst auch Pamela Veith, die aktuelle deutsche Meisterin über 100km.

Nach einem kurzen Systemcheck ertönte dann der Startschuss und schickte uns auf 211 Runden. Bernd schoss los wie von einem Schwarm Bienen verfolgt. Ich hängte mich an seine Fersen. Die erste Runde flogen wir quasi um das oval und es stand spätestens auf der zweiten Runde die erste Überrundung an. Bernd legte mit einer Schrittfrequenz los, mit welcher ich mir vermutlich die Beine verknotet hätte. Ich versuchte aber zumindest am Anfang zu folgen. Den ersten Kilometer absolvierten wir gemeinsam in wahnsinnigen 3:48 Minuten. Fast eine Minute über der 3:15 Stunden Kilometerzeit. Es fiel mir anfangs unglaublich schwer auf dieser Bahn, auf welcher wir normalerweise sprinten ein ruhiges, nicht zu schnelles, Tempo zu finden. Der Moderator spekulierte schon wie lange das wohl gut gehen würde und ich abreißen lassen müsste. Bernd zog das Tempo auf jeden Fall so durch. 3:52, 3:52, 3:49, 3:53, 3:54. So ging es weiter. Ich blieb dran und die Halle staunte nicht schlecht. Ich war selbst überrascht wie locker ich das am Anfang laufen konnte und wie wenig Probleme ich damit hatte.

Boxengasse
Boxengasse

Nach 6 Kilometer hatte ich mir den ersten Boxenstop eingeplant. Eine Softflask mit Iso und 3 Gels hatte ich mir vorher in der Boxengasse deponiert und ließ mir diese auf Zuruf nun von einem der Helfer reichen. Eine halbe Runde später wartete schon der Helfer wieder um sie mir wieder abzunehmen. Perfekter Service ohne Zeitverlust. Bernd zog nun aber das Tempo deutlich an und ich ließ ihn Laufen. Ich wusste genau, dass in spätestens 5 Kilometer sonst vorbei sein würde. 3:55, 3:57, 3:58 und 4:02. Damit war meine Jagd nach Zeiten jenseits der 4 Minuten Marke erstmal vorbei. Die 10 Kilometer bedeuteten aber auch die ersten 50 Runden hinter sich zu haben. Auf die Nachfrage meiner Freundin wie schnell ich unterwegs sei, antworte ich „10 in 39:03 Minuten“ Ihr Antwort „Spinnst du? Was machst du?“

Was genau mache ich da? Das dachte ich mir dann auch. So weiter rennen und du läufst direkt auf 2:45 Stunden. Das geht einfach nicht. Aber das wäre sowieso nicht gut gegangen. Also solange es noch geht weiter mit diesem Tempo und dann mal weiterschauen. Und das Runden rennen? Die ersten 50 Runden gingen wirklich schnell vorbei. Hier mal winken, hier einen Läufer überholen. Dann kam Bernd auch das erste Mal von hinten und überrundete mich. Der Moderator lieferte mit den Vitas der einzelnen Läufer interessanten Stoff und auch die Siegerehrung des Halbmarathons in der Mitte brachte die ein oder andere Abwechslung. Man rannte quasi vor sich hin, hatte aber den Kopf immer irgendwo anders.

Nun folgten die zweiten 50 Runden bis zur Halbmarathondistanz. Ich versuchte das Tempo immer knapp über 4 Minuten pro Kilometer zu halten. Nach 5 Runden drücke ich jeweils auf die Lap Taste der Suunto um meinen Kilometersplit zu sehen. Auf einer großen Videowall wurden die Platzierungen und die Anzahl der gelaufenen Runden und Kilometer den Läufern nach der Ziellinie präsentiert. Die Versorgung durch die Boxengasse klappte perfekt auf Zuruf. Ich war das erste Mal mit Gels von AM Sport unterwegs. Ein super leckeres, nicht klebendes Gel, welches der Magen perfekt vertragen hat.

So ging es bis zum Halbmarathon. Nach 105,5 Runden blieb die Uhr bei 1:23:55 Stunden stehen. Ich war mal eben kurz eine neue Bestzeit auf Halbmarathon gelaufen. Kann man sich die irgendwo anrechnen lassen? Ich war locker drauf. Der Moderator betonte dies auch nur so geschätzt jede dritte Runde und war beeindruckt, dass ich noch durchhalten würde. Die Unterstützung der Zuschauer war ebenfalls sehr toll. Mit Laola-Wellen, Klatschen und der ein oder anderen Fopperei sah man sich ja jede 200m wieder.

Doch nun war der Zeitpunkt gekommen, wo es langsam zäh wurde. Man hatte alles irgendwie nun schon mehrfach gesehen. Die Runde war nun auch schon mehr als bekannt und es begann sich der Körper an einigen Stellen aufgrund des hohen Anfangstempos zu beschweren. Nun rächte sich langsam der Umstand, dass mir in den letzten 6 Wochen komplett die langen Läufe gefehlt hatten. Ich war selten über 20 Kilometer am Stück unterwegs gewesen. Meine Rettung waren wohl die unzähligen Stunden auf dem Ergometer im Fitnessstudio auf einer sehr hohen aber schweren Frequenz.

Bis Kilometer 30 nahm ich noch das 2. AM sports Gel und ließ mir in regelmäßigen Abständen die Softflask reichen. Verpflegen war hier gar nicht so einfach, da man ja quasi jede Runde die Möglichkeit hatte zu trinken und zu essen. Um sich hier nicht völlig zu übertrinken war es nötig sich in regelmäßigen Abständen zu versorgen. Anders wie bei Marathons draußen, wo die Abstände vom Veranstalter vorgegeben werden. Meine Zeiten blieben bis zum 30. Kilometer noch unter dem für eine sub 3:00 Stunden notwendigen Kilometersplit von 4:16 Minuten pro Kilometer. 2:01:37 Stunden für 30 Kilometer. Somit blieben mir genau 58:23 Minuten für die letzten 12 Kilometer um unter 3 Stunden zu bleiben. Ich witterte meine Chance auf eine neue Bestzeit und ließ den Gedanken das erste Mal in meinen Kopf.

Die Runden wollten aber einfach nicht weniger werden. Ich war in einem Loch gefangen. Der Kopf hatte keine Lust mehr, die Augen alles gesehen und die Ohren konnten nicht mehr hören wie ich jede Runde angefeuert wurde. Zudem stellten sich nun auch die ersten körperlichen Probleme ein. Die Wade des linken, also inneren Fußes fing so langsam das Zwicken an und auch scheuerte es mir zwischen den unteren Oberschenkel die Haut auf durch das immer eng durch die Kurven laufen. Ich nahm noch mein letztes Gel, diesmal Power Bar, gegen den drohenden Wadenkrampf und versuchte alles auf Bestzeit zu halten. Kilometer 38 bei 2:37:00. Noch 4,2 Kilometer in höchstens 20 Minuten um meine Bestzeit aus Paris zu unterbieten. Noch 20 Runden! Mein Tempo auf Kilometer 39 und 40 war allerdings auf 4:33 und 4:34 abgesunken. Ich konnte nicht mehr. Als ich gerade Kilometer 41 anging überquerte Bernd nach 2:48 Stunden als Sieger die Ziellinie. Nach hinten hatte ich genug Puffer auf Pamela, welche sich einen wahnsinnigen 3. Platz halten konnte, allerdings mit 9 Runden Rückstand auf mich. 2 Kilometer lagen noch vor mir. 10 Runden und 11 Minuten Zeit. Das sollte reichen. Die ganze Halle feuerte mich an. Vereinskollegen standen schon an der Ziellinie und warteten auf mein Ankommen. 2:50:48 Stunden. Noch 1 Kilometer. 5 Runden. Vollgas. Ich legte nochmal alles in eine Waagschale, allerdings im Hinterkopf die zwickende linke Wade. Noch 4 Runden, 3 Runden, 2 Runden und dann war es soweit. Die Glocke schickte mich auf die letzte Runde. Noch einmal alles rein werfen. Die letzten 50 Meter genoss ich einfach. Die Ziellinie überquerte ich noch stehend dann aber erstmal abliegen. „Warum laufe ich auf dieser scheiß Bahn Bestzeit??!“ Mein erster Satz in Richtung meiner Kollegen. Ich musste erstmal Luft holen. 2:55:57 Stunden lautet nun die neue Hausnummer meiner Bestenliste. Ein Ziel welches ich eigentlich erst im Herbst dieses Jahres vielleicht nochmal angehen wollte. Gleichzeitig bedeutete dies Platz 2 gesamt hinter Bernd für mich. Was für ein Ergebnis.

Nach und nach trudelten dann die anderen Läufer ein. Pamela Veith auf einem fantastischen 3. Gesamtplatz und 1. der zwei mutigen Damen. Die Finisher empfingen alle Zieleinläufer mit Applaus und man war gemeinsam Stolz dieses Mind-Fuck-Monster besiegt zu haben.

Es gab schon schönere Zieleinläufe Quelle: Rodger Müller
Es gab schon schönere Zieleinläufe Quelle: Rodger Müller

Nun zwei Tage später fühlen sich die Beine eigentlich schon wieder ganz gut an, der Muskelkater war auf der heutigen 11 Kilometer Lauftreffrunde schon fast wieder verschwunden und der Kopf freut sich mega auf den Jokertrail am kommenden Samstag. 52 Kilometer durch die Natur rund um Heidelberg. Keine Halle, keine Runden. Wind, Wetter und Natur auf schmalen Trails. Was gibt es schöneres. Dennoch werde ich nächstes Jahr im Februar wieder am Start dieses Hallenmarathons stehen. Eine bessere Möglichkeit seine Frühform unter völlig sterilen Verhältnissen zu testen gibt es kaum.

Der Move (etwas kürzer aufgrund von GPS Aussetzern in der Halle)

Ergebnisse und Bildergalerie

Bericht Birgit Fender (marathon4you)

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