Betritt man durch das Gate 3 das Gelände des Tough Guy, merkt man sofort hier läuft etwas gewaltig anders. Ein Hundegebell und ein seltsamer Geruch liegt am Samstag, dem Vortag des großen Rennens, über dem Gelände. Die Hindernisse liegen furchteinflössend still da und es wirkt alles recht friedlich. Kein großer Medienrummel, keine Sponsoren die sich versuchen zu präsentieren, man hat direkt ein angenehmes Gefühl. Dieses wird aber jäh zerstört, spätestens wenn man die „Death Warranty“ unterschreibt. „If i will die, it´s my own bloody fault for coming“ Mehr muss man eigentlich nicht dazu erklären.
Nach meinem Finish im letzten Jahr (2:30 Stunden), war es auch 2015 für mich klar mit einem Tough Guy Squad Startplatz zurückzukehren und es nochmal auf „Alles oder nichts“ zu probieren. Begleitet hatten mich damals neben meiner Freundin Melanie, einem Kumpel auch Karsten, Ali und Marco. Die drei hatten sich der Herausforderung gestellt und sich überwunden bei Ihrem ersten Laufevent gleich direkt beim Tough Guy am Start zu stehen.
Der Wetterbericht für Sonntag war perfekt. Etwas Sonne, trocken und kein Frost. Das Wasser aber von den letzten kalten Wochen nahe dem Gefrierpunkt. Meine Klamottenwahl fiel, nachdem ich für jede Möglichkeit gerüstet, mein Handgepäck total überladen hatte auf eine sehr offensive Variante:
Buff Kopfband, langärmliges Untershirt, Kurzes Laufshirt, 3/4 Hose, Compressport Calves, Merino Compress Wintertrail Socken, Inov Trailroc255 und Handschuhe. Wie sich herausstellen sollte eine perfekte Wahl.
Am Morgen des Starts fuhren wir recht früh auf das Gelände etwas außerhalb von Wolverhampton hinaus wir wollten einen guten Parkplatz und ich die Chance mich in der Tough Guy Squad recht vorne einzusortieren um am Start ganz vorne auf dem Hügel zu stehen. Zusammen mit meinem guten Freund und Laufkumpan Marcel, hatte ich es geschafft mich vorne in der Squad einzureihen. Nach dem Start der Front Squad wurden wir auf den Hügel gelassen und der Countdown gestartet. Bei 2 setzte sich schon der ganze Hügel in Bewegung ich wir rauschten mit tausenden im Nacken die Startgerade runter. Bloß nicht stürzen war die erste Devise und Tempo machen. Die ersten Kilometer bestehen aus einer einigermaßen gut laufbaren Strecke, wo man mit etwas Tempo viel Boden gut machen kann. Ich überholte etliche Leute und Marcel schickte mich als schnelleren Läufer davon. Bis zu den Rabbit Hills war es gut machbar mit einem strengeren Tempo (sub 4:30min/km) sich einen Vorteil rauszulaufen. In den Rabbit Hills, 8-10 Schleifen eine steile Böschung hinauf und wieder herunter, büßte ich aber vor allem abwärts wieder etwas an Zeit ein. Wir liefen nun wieder zusammen. Der darauffolgende Wald mit seinen vielen Schleifen, Pfützen und Hindernissen war eher von spaßiger Natur. Läutete er aber nur das ein, was anschließend folgen sollte. Ein Bachbett musste ca. 10 Mal von links nach rechts durchquert werden, jeweils wieder die Böschung hoch. Hier konnte ich wieder etwas Zeit gut machen. Insgesamt merkte ich, dass ich heute einiges an Kraft in der Hinterhand habe und was drin war. Nach der Klettereinlage über die Brandenburg Gates folgte der lange Wassergraben. Dieses Jahr nicht ganz voll und von daher doch sehr einfach zu laufen. Vor der Chamber of Tortune wurde ich als 77. eingezählt. In der Chamber selbst einmal nicht aufgepasst und zack einen dicken Stromschlag ins Gesicht kassiert. Hellwach zog ich mich durch die Betonröhren wieder ans Tageslicht. Dann ab zum schlimmsten Hindernis. Es musste unter einem Baumstamm durchgetaucht werden und anschließend nochmal unter 4 einzelnen Stämmen. Ich versuchte so schnell wie möglich zu tauchen um gleich wieder raus aus der Brühe zu kommen. Wie benommen wankte ich aus dem Teich und versuchte erstmal wieder mit der Welt klar zu kommen. Noch nicht ganz klar im Kopf lief ich auf das Hangelhindernis zu. So ganz realisierte ich noch nicht, dass ich gar nicht hangelte, sondern mich eher von Stange zu Stange vorwärts zog. Dadurch dass dies wegen der niedrigen Stangenhöhe nicht auffiel durfte ich weiter während andere auch Marcel 3 mal zurückgeschickt wurden. Sowas ist natürlich sehr ärgerlich und war keinesfalls Absicht von mir. Das Misere bemerkte ich als ich über das nächste Hindernis kletterte und Marcel plötzlich fehlte. Aber auch die Dragon Pools wurden nach den ersten 25 Startern geschlossen und wir bereits darum herum geleitet. Sehr schade, da dieses Hindernis letztes Jahr wohl zu einem der härtesten gehörte. Nach dem Sprung von der Planke in das eiskalte Wasser und den vielen Plattformen im darauffolgenden Tümpel spürte ich meine Finger gar nicht mehr. So langsam schaffte es mein Körper nicht mehr sich warm zu halten und ich war mehr als froh auf der letzten Hindernissbahn zu sein. Viele gingen hier nur noch und ich konnte mit Rennen noch einige Läufer überholen. Am finalen Hindernis traute ich aber dann meinen Augen kaum. Man musste unter den Strombändel sich die Gummimatte an einem winzigen Seil hochziehen. Bei jeder Reihe Bändel durchzuckte ein Stromstoß meinen Körper und unter Qualen und Fluchen kam ich oben an. Letztes Jahr war das mit rutschen doch um einiges entspannter. Dann kurz um die Kurve und es stand fest:
Ich hatte es wiedereinmal geschafft!!! Die Uhr blieb bei 1:59:13 stehen. Unter 2 Stunden und gleichzeitig noch 31 Minuten schneller als noch 2014! Marcel sollte 3 Minuten nach mir folgen. Auch für ihn ein tolles Rennen!
Wir bekamen eine Decke umgewickelt und irrten in Richtung der Duschen. So langsam fing der ganze Körper zu zittern an und ich versuchte verzweifelt die Handschuhe auszubekommen, eine Dame der Teeausgabe war dann so freundlich und zog mir diese aus. Schnell unter die warme Dusche und raus aus den Klamotten. Kaum in der Lage meinen Körper vor Zittern ruhig zu halten kehrten so langsam die Lebensgeister wieder zurück.
Was für ein hartes Rennen. Zwar war das Wetter optimal, aber durch das kalte Wasser doch nochmal eine Spur härter als das letzte Jahr. Etliche Läufer mussten hier die Waffen strecken und das war sicherlich ein Grund dafür, dass zu einem späteren Zeitpunkt ein Wasserhindernis nach dem anderen aus dem Rennen genommen wurde.
Die erste Onlinehochrechnung der Platzierungen verkündete mir einen grandiosen 38. Platz. Allerdings fehlen hier noch einige Ergebnisse von verlorenen Chips oder falsch einsortierten Läufer, sodass es vermutlich auf eine Top50 Platzierung (aktuell Platz 45) rauslaufen wird. Auf den Platz kommt es mir aber dabei weniger an, als zu wissen, dass ich zusammen mit so vielen Freunden wieder einen riesen Spaß in England hatte und weiß alles gegeben zu haben! Ob nun 50. oder 80. oder 2400. jeder der das Rennen geschafft hat und auch alle die es versucht haben und aus verschiedensten Gründen gescheitert sind, sind Helden dafür, dass sie sich der Herausforderung gestellt haben. Und etliche davon werden sich sicherlich schon Gedanken machen was sie am letzten Januar Wochenende 2016 im Terminkalender stehen haben!
Jetzt hätte ich fast etwas vergessen. Wie erging es eigentlich den am Anfang erwähnten Marco, Karsten und Ali? Nach ca. 3:10 Stunden tauchte auf einmal Marco kurz vor dem Ziel auf und schleppte sich mit letzter Kraft über die Ziellinie. Er hatte einen Kampf mit den Rabbit Hills und den Plattformen, war aber mehr oder weniger an einem Stück durchgekommen. Nach knapp 4 Stunden folgten Karsten und Ali, welche sichtlich vom Parcours gezeichnet sich das letzte Zielhindernis hinaufquälten. Sie durften schon nicht mehr die Wasserhindernisse mitmachen. Sichtlich gekennzeichnet (vor allem Karstens Rücken) schleppten sie sich als „Tough Guy Finisher“ unter die Dusche!
Hier ein paar Bilder:
Ein rundum gelungenes Wochenende für alle! Ob ich nächstes Jahr auch wieder dabei bin? Schauen wir mal! Es gibt noch viel anderes zu erleben und das Jahr 2014 hält da einiges bereit.
Glückwunsch zum erfolgreichen Finish, Du bist eine echte Kampfsau. Sehr schön geschrieben, danke für die Eindrücke.
Danke dir. War wiedermal ein geiles Erlebnis in England.