Die letzten 200m des Transvulcania. Auf einem blauen Radweg geht es die Straße Calle Enrique Mederos Lorenzo in Los Llanos entlang. Sanft steigt sie immer weiter an in Richtung Stadtzentrum. Links und rechts des Radwegs ein riesen Lärm, die Straßencafes sind komplett gefüllt und Kinder säumen den Weg. Ihre Hände recken sie den tapferen Läufern entgegen, die hier ihre letzten Meter des Rennens laufen. Die Gäste in den Cafes bieten den Läufern Cafe, Wasser, Melonen und sogar Schinken an. Aus der Ferne ist bereits der Sprecher im Ziel zu hören, er wird begleitet von einem lauten Klatschen und Trommeln.

Das sind die letzten Meter des Transvulcania. 74 Kilometer mit 4350 Höhenmeter im Aufstieg und 4057hm im Abstieg liegen hier bereits hinter mit. Ein harter Lauf, ein Lauf mit einigen Fehlern meinerseits und trotzdem einer der schönsten Läufe meiner Laufbahn.

Start des Transvulcania am Faro de Fuencaliente
Doch von Anfang an. Knapp 12 Stunden zuvor stehe ich am Leuchtturm vom Faro de Fuencaliente. Vor mir ca. 300 Läufer mit Stirnlampen und blinkenden Rücklichtern und hinter mir weitere 1700. Eine unglaubliche Menge. Der Lautsprecher brüllt etwas von „Last Call for Checkin“ und um mich herum ein Stimmengewirr aus 60 Nationalitäten.



Alle scharren mit den Hufen um endlich auf die Strecke des Transvulcania gehen zu dürfen. Es dämmert bereits, als der Countdown zum Start um Punkt 6 Uhr beginnt. Plötzlich schießt die Menge los. Es wird mit Ellbogen gearbeitet und jede Lücke gnadenlos ausgenutzt. Nach einer Runde um den Leuchtturm geht es direkt in den ersten schmalen Trail durch das Vulkanfeld hinauf. Hier stockt das Feld und weiter hinten bildet sich ein ewiger Stau. Deshalb sortierte ich mich direkt weiter vorne ein und gab am Anfang direkt Gas. Der Trail reicht trotzdem nicht und links und rechts des Weges kraxeln die Läufer nach oben. Auch ich schere aus und folge einer Schlange von Läufern quer Feld ein.

Nach ein paar Metern wird das Feld dann lockerer und man kann auf den normalen Weg zurück kehren. Durch den tiefen Schotter dieser pechschwarzen Landschaft laufen wir Los Canarios entgegen. Der schwarze Boden um uns herum schluckt das Licht. Ein Blick zurück prägt sich direkt für immer in mein Gedächtnis ein. Ein riesiger Lichtschlauch verfolgt uns den Trail hinauf. Wie eine Schlange windet er sich und vor einem blicken unzählige rote Lichter.
Nach 7km welche ich weitgehend laufend verbringe erreichen wir die erste Verpflegungsstation. Los Canarios. Hier ist bereits um 6.30 Uhr die Hölle los. Die Bars sind geöffnet und hunderte Menschen säumen die enge Gasse durch welche wir laufen. Eine geniale Stimmung welche mir direkt die zweite Gänsehaut des Tages beschert, trotz den milden Temperaturen dieses Morgens. Ein kleiner Schluck Wasser und die Stöcke vom Rucksack genommen, auf den ersten 7km ist deren Einsatz nicht erlaubt, geht es weiter. Haben wir hier bereits 716 Höhenmeter hinter uns folgen nun weitere 1100 immer stetig hinauf über die Route der Vulkane, welcher der Transvlcania stetig folgt.
Auf der Ruta de los Volcanes


Rechts von uns geht langsam die Sonne auf und über einer Wolkendecke kann man bis Teneriffa auf den El Tide sehen. Einfach nur traumhaft. Auf der linken Seite verschwindet gerade der Mond am Horizont. Die Strecke führt technisch einfach die Vulkane hinauf und ich kann sehr gut im Tempo der anderen Läufer mit schwimmen. Durch die milden Temperaturen bin ich allerdings schon sehr gut am schwitzen. Ich trinke ausreichend und an der zweiten Verpflegungsstation nehme ich noch zusätzlich einen Becher Iso mit auf den Weg. Nun sind wir bald oben auf dem ersten Gipfel Las Deseadas.


Von hier aus folgt der erste Downhill des Tages nach El Pilar unserer dritten Verpflegungsstation und gleichzeitig dem Start des Marathons. Ich stürze mich hinab und schon einige Kilometer vor El Pilar hört man Musik, den Sprecher und das Echo der Zuschauer. Der nächste Gänsehautmoment des Tages. Der Downhill tut nach 2000 Höhenmeter am Stück richtig gut und ich lasse die Beine laufen. In El Pilar angekommen esse ich ein paar Wassermelonen, trinke einen Becher Powerrade und beschließe schnell weiter zu kommen. Die nächste Verpflegung sollte schon in 7km warten.

Von El Pilar nach El Reventon
Beim Verlassen der Verpflegung wird man als Ultraläufer frenetisch von den schon wartenden Marathonläufern angefeuert. Vielen Dank an alle die hier warteten! Nun folgt ein relativ unspektakuläres Stück Strecke auf einem breiten Forstweg immer leicht ansteigend. Ich nehme das erste Gel des Tages und versuche auf dem leicht laufbaren Stück einiges an Tempo zu machen. Im Moment liege ich hier 15 Minuten vor meinem geplanten 10 Stunden Ziel.
In der Ferne kann man nun schon die ersten Blicke auf den Roque de Los Muchachos, dem höchsten Punkt des Transvulcania, erlangen und den Verlauf der restlichen Route bis dorthin immer entlang des Kraters. Gleichzeitig aber immer auch links und rechts der Tiefblick bis hinab zum Meer. Die Strecke und die Insel sind einfach atemberaubend. Die Temperaturen allerdings inzwischen auch und mein Körper hat sich in einen Wasserfall verwandelt. Verzweifelt versuche ich so viel Flüssigkeit mit Nährwerten zuzuführen wie ich nur kann. Auf weitere Gels oder Riegel aus meinem Rucksack habe ich keine Lust.



An der nächsten Verpflegung bei El Reventon tanke ich erstmal meine Vorräte auf. Eine Flasche mit Iso und eine Flasche mit Powerrade. Dazu ein paar Mandeln, Walnüsse und Wassermelonen und direkt weiter geht es. Das Zeitziel und vor allem auch das dichte schnelle Feld treibt mich voran. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen mich ordentlich zu Verpflegen und auch Salztabletten mitführen müssen. Salz ist an den Verpflegungen leider Mangelware und das Fett von den Walnüssen und Mandeln braucht leider viel zu lange um dem Körper ausreichend Energie zur Verfügung zu stellen.
Die Kraft geht flöten
Das folgende Stück ist nun 11 Kilometer lang und führt auf recht welligen Trails immer weiter in Richtung Caldera. So langsam merke ich, dass ich einen Gang zurückschalten muss und lasse einige Läufer vorbei ziehen. Neben Matthias überholt mich auch Lisa, welche sehr stark unterwegs ist. An Matthias versuche ich noch eine Weile dran zu bleiben doch muss nach und nach immer weiter abreisen lassen. Dann überholen uns die ersten Marathonläufer in einer eindrucksvollen Geschwindigkeit, auch Moritz fliegt an mir vorbei, er wird später trotz einigen Stürzen Gesamt 6. im Marathon des Transvulcania. Trotz der Eile hat doch jeder überholende Läufer noch genug Luft für ein Gracias oder Come on!.
Völlig trocken erreiche ich die nächste Verpflegung. Der Ofen ist ziemlich aus. Matze sitzt bereits futternd in der Verpflegung. Ein freundlicher Helfer nimmt mir die Softflesk ab und füllt diese schnell wieder mit Iso auf. Ich mache eine Runde und esse ein paar Nüsse und Wassermelonen, viel zu wenig, aber irgendwie bekomme ich heute nichts rein. Im Rucksack warten auch ein paar warme Gels, aber auf diese habe ich heute einfach keine Lust. Zum gleichen Zeitpunkt erreicht Eva bereits die Verpflegungsstation. Sie war lange mit Lisa zusammen gelaufen und wird heute als 15. Frau in starken 10:12:00 Stunden das Ziel erreichen. Einige wenige Minuten habe ich auch ich hier noch auf meine sub 10 Stunden Zeit, vor allem weil ich mir einen schnellen Downhill noch einrechne um wieder Zeit gut zu machen.
Kraftlos zum Roque de los Muchachos
Zusammen mit Matze verlasse ich die VP. Die nächste sollte nach 5,5km folgen. Ein Klacks dachte ich, das lange Stück ist ja jetzt durch. Leider weit gefehlt. Aus der VP geht es direkt in einen steilen und rutschigen Anstieg und es zieht mir urplötzlich den Stecker. Der Energiespeicher ist leer. Immer wieder muss ich stehen bleiben auf dem Weg nach oben und mich auf meinen Stöcken abstützen.Auf diesen 5,5km machen wir 420 Höhenmeter nach oben. Die Uhr tickt runter und dutzende Läufer ziehen mit aufmunternden Worten an mir vorbei. Das wars mit den 10 Stunden. Ich begrabe diese gedanklich und bekomme einen riesen Respekt vor den noch ausstehenden 28 Kilometern. Stolpern, gehend und wankend führt mich mein Weg nun immer weiter bis zum Roque de Muchachos. Wäre die Landschaft nicht so atemberaubend und der Lauf auf dieser Insel nicht etwas so besonderes, ich wäre vermutlich ausgestiegen. Endlich erblicke ich in der Ferne die Teleskope und den VP auf dem Roque. Hier warten etliche Zuschauer und auch meine Mutter und Jochen von der exito Gipfelstürmer Crew als Support. Jochen begleitet heute wieder einmal seine Gipfelstürmer Schützlinge Stefan und Bart. Ich freue mich die beiden zu sehen und lasse mich auf einer Bank nieder. Ich trinke und esse, leider wieder nichts salziges, die Gemüsebrühe und Pasta hier registriere ich leider nicht. Vielleicht hätte ich länger sitzen bleiben sollen und ausgiebig essen.



Wir haben nun mit 2420m den höchsten Punkt der Strecke des Transvulcania erreicht und es folgt ein 17 Kilometer langes Stück bis nach Tazacorte in den Hafen auf Meereshöhe. Ich verlasse den VP und habe mein Zeitziel inzwischen auf 12 Stunden korrigiert. Kurz bevor ich den VP verlasse erreicht Stefan diesen und ich bin überrascht ihn hier noch so fit anzutreffen, er hat sich ein super Rennen eingeteilt bis hier her. Bevor uns die Strecke in den ewigen Downhill entlässt geht es allerdings noch ein paar mal hinauf auf dem Grat. Mein Akku erholt sich heute nicht mehr und so schleppe ich mich gehend von Anstieg zu Anstieg. Aber auch auf den bergab Passagen zwischendurch ist die Kraft einfach nicht mehr ausreichend um mich laufend hinab zu stürzen. Ein Läufer nach dem anderen zieht an mir vorbei. So hart diese Situation aber auch ist, umso schöner sind die aufmunternden Worte der überholenden Läufer, auch wenn der ein oder andere 1-2 Minuten spanisch auf mich einredet und ich kein Wort verstehe, es war sicherlich gut gemeint.
Der Downhill des Grauens
Den Downhill kann ich fast nur noch gehen und langsam schmelzen die Kilometer auf der Uhr. Bei Kilometer 62 wartet die nächste VP auf uns. Ich bin froh sie endlich erreicht zu haben und trinke ein paar Becher Cola und halte meinen Kopf zur Abkühlung unter einen Wasserschlauch. Energie bekomme ich nun sowieso keine mehr zugeführt und ich will nur noch irgendwie durch dieses Rennen kommen und gleichzeitig aber den Spaß an der beeindruckenden Landschaft nicht verlieren. Endlich erreiche ich die finalen Serpentinen nach Tazacorte. Gerne wäre ich diesen Downhill mit voller Kraft einmal am Stück hinab gelaufen, so bin ich aber beinahe 3 Stunden unterwegs. Der Sieger im Marathon zum Vergleich macht das in 1:16 Stunden.


In Tazacorte, dem Ziel der Marathonies, erwartet uns wieder eine super Stimmung. Diese tolle Stimmung am Rand der gesamten Strecke mit unzähligen Stimmungsnestern, privater Verpflegungsstationen haben meinen Willen den Transvulcania zu finishen bis hierher getragen. Das ist der wahre Sprit des Transvulcania, an diesem Tag lebt die ganze Insel diesen Lauf. In Tazacorte warten die letzten 4 Kilometer mit allerdings 340 Höhenmeter auf uns. Es geht durch ein beeindruckendes Flussbett mit tollen Auswaschungen dem letzten Anstieg entgegen. Zum Glück hat sich die Sonne genau in diesem Moment das erste Mal am heutigen Tag hinter ein paar Wolken verschanzt, ansonsten wäre dieses Stück der Strecke ein reiner Glutofen gewesen.
Der finale Aufstieg des Transvulcania
Aus dem Flussbett hinaus geht es durch Bananenplantagen nach oben. Die 12 Stunden habe ich bereits sicher in der Tasche und so packe ich lustlos die Stöcke weg. Keine Lust mehr die Arme auch noch zusätzlich zu quälen. Genug Schmerzen für heute, denkt sich mein geschundener Körper. Die letzten Höhenmeter gehen dann wieder etwas besser und kaum erreiche ich den blauen Radweg auf der Zielgeraden beginne ich auch wieder zu laufen. Die Stimmung links und rechts ist einfach so fantastisch, so dass sie die Schmerzen und Erschöpfung in diesem Moment vergessen lässt.

Ich erreiche den Zielkanal und applaudiere der tobenden Menge. Nach 11:51:34 Stunden überquere ich dann endlich das Ziel des Transvulcania 2017. Erschöpft aber überglücklich. Ein tolles Rennen, welches für immer bleibende Eindrücke in meinem Gedächtnis hinterlassen wird. Im Ziel wartet Eva und kurz hinter mir läuft bereits Stefan Vonbon ein, welcher seine Zeit zum Vorjahr deutlich steigern konnte. Zusammen genießen wir anschließend eine 30 minütige wohlverdiente Massage. Ein toller Service des Transvulcania. Meine Muskeln sind allerdings gar nicht so geschunden wie ich es erwartet hätte, das war heute eher ein Problem mit der Kraft. Einfach zu schnell los gegangen und gleichzeitig die Versorgung des Körpers mit genug Energie voll gegen die Wand gefahren. Dinge die durchaus auch im 51. Langstreckenrennen passieren können, aber in einer ungeschickten Situation auch einmal das Aus in so einem Rennen bedeuten können.
Den Tag lasse ich mit einer großen Pizza ausklingen und fülle meine Energiereserven wieder auf. Am folgenden Tag, dann noch das große Treffen aller befreundeten Teilnehmer der verschiedenen Wettbewerbe des Transvulcania. Auf der Dachterrasse des „inoffiziellen deutschen Hauses“ grillen wir zusammen und fachsimpeln über das vergangene Rennen und unsere anstehenden Läufe. Eine tolle Gemeinschaft, in der Spitzenathleten und „Normalsterbliche“ zusammen Bier und Wein genießen.


Der Transvulcania ist eine tolle Veranstaltung und hat mich wirklich nachhaltig beeindruckt. Die Organisation grenzt nahezu an Perfektion. Insgesamt nehmen über 3600 Teilnehmer an den verschiedenen Rennen teil, davon 2000 allein im Ultra. Es fehlte wirklich zu keiner Zeit an etwas und die Strecke und Verpflegungen sind super organisiert. Das Preis/Leistungsverhältnis ist durch ein T-Shirt, Armlinge und Socken im Starterbeutel und ein Fin(i)sher Shirt und die Massage im Ziel mit ca. 80 Euro wirklich bemerkenswert und die Insel La Palma allein schon eine Reise wert. Vielleicht stehe ich im kommenden Mai ja wieder hier an der Südspitze zusammen mit 2000 verrückten an der Startlinie. Vielleicht aber auch ein paar Kilometer weiter nördlich in Madeira. Wir werden sehen.
Hi Lars,
sehr unterhaltsam zu lesen wie es dir erging. Und auch beruhigend mitzubekommen dass elbst nach all deinen Leistungen so ein rennen trotzdem auch mal hart sein kann.
Ich bin selbst auch auf La Palma gelaufen. Hatte mir sub12 vorgenommen. Durch die Hitze, dass viele trinken und wohl auch einfach dei Anstrengung hat mich mein magen aber auf der zweiten Hälfte auch stark eingebremst. Schlussendlich war es aber ein grandioses Erlebnis und bin wohl ca 30 min nach dir reingekommen.
Ich denke auch die Kanarischen Inselns sehen mich wieder ;). Grüße!
Servus Lars, trotz aller Schwierigkeiten beim Abenteuer Transvulcania möchte ich dir meinen großen Respekt aussprechen. Tolle Leistung, dass du das Rennen zu Ende gebracht hast. Irgendwann kommst du wieder und erledigst das Ziel SUB10. Jetzt sehen wir uns erst einmal in 4 Wochen in Grainau und dann vielleicht in Davos. Es ist immer schön, dich und natürlich auch deine Mutter zu treffen. Wir behalten die Tage in La Palma in bester Erinnerung. Viel Spaß auf den Trails. Happy Running! Jochen, exito Gipfelstürmer
Respekt, lieber Lars, dass du es so noch durchgezogen hast. Der letzte Downhill hatte es wirklich in sich! War toll dich und deine Mutter wieder getroffen zu haben. Ich freue mich schon auf den ZUT! Beste Grüße, Stefan
Hi Lars,
mitreißender Laufartikel über einen weiteren coolen Lauf, den ich vermutlich niemals mitmachen werde. 😉
Trotzdem motiviert und inspiriert mich das immer wieder bei meinem eigenen Lauftraining.
Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreichen Finish! 🙂
Viele Grüße
Jahn